Diskriminierung und Hassrede

Diskriminierung

Diskriminierung widerspricht den grundlegenden Werten einer inklusiven Gesellschaft, bedroht den sozialen Zusammenhalt, verletzt die Menschenrechte und ist eine Form der öffentlichen Gewalt. Menschen können Diskriminierung in mehreren Formen und in unterschiedlichen Lebensbereichen ausgesetzt sein: zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum, wie auf der Strasse oder im Internet. Neben individueller Diskriminierung können Menschen auch von struktureller Diskriminierung betroffen sein, indem sie durch (ungeschriebene) Regeln oder Praktiken von Behörden oder Institutionen benachteiligt werden.

Das Diskriminierungsverbot ist in § 283 des Liechtensteinischen Strafgesetzbuchs verankert: Es legt fest, dass niemand aufgrund der Hautfarbe (‚Rasse‘), Sprache, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung öffentlich herabgesetzt oder verleumdet werden darf. Niemand darf wegen dieser persönlichen Merkmale von einer allgemein zugänglichen Leistung ausgeschlossen werden. Auch das Aufreizen zu Diskriminierung oder die Weiterverbreitung von diskriminierenden Inhalten – z.B. über soziale Medien – und das öffentliche Zeigen oder Tragen von diskriminierenden Symbolen ist verboten. Wer von Diskriminierung betroffen ist, kann eine Anzeige erstatten, wer diskriminiert, macht sich strafbar und muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen. Im Frühling 2023 führte der VMR zusammen mit weiteren Akteuren eine landesweite Sensibilisierungskampagne durch. Die Kampagne «Diskriminierung ist strafbar – Toleranz ist dein Recht» informierte über die Strafbarkeit von diskriminierenden Aussagen und Handlungen. Sie hatte auch zum Ziel, Diskriminierungen vorzubeugen und betroffene Personen dazu ermutigen, Anzeige zu erstatten. Kampagnentext in Einfacher Sprache 

Das Strafrecht kann aber nur bestimmten Diskriminierungsformen verfolgen. Andere Diskriminierungsformen müssen auf zivilrechtlichem Weg begegnet werden. Wenn strukturelle Diskriminierung z.B. in Bildungssystemen, bei der Arbeit oder bei Zugang zu Wohnraum, Gesundheitsdienstleistungen usw.  auftritt, muss diesen mit einem übergreifenden zivilrechtlichen Anti-Diskriminierungsgesetz (oder Gleichbehandlungsgesetz) begegnet werden. Die Schaffung eines solchen Gesetzes fordert  die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats bereits seit 2018.  Liechtenstein hat nur zwei spezifische Diskriminierungsgesetzgebungen, welche die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und die Gleichstellung von Frau und Mann in bestimmten Bereichen regelt. Eine Ausweitung dieser Gesetzgebung und der Definition von Diskriminierung auf alle Diskriminierungsmerkmale, auf weitere gesellschaftliche Bereiche und eine Regelung der Beweislast bei Diskriminierungsbeschwerden wären dringend notwendig.

Hassrede

Eine Form der Diskriminierung ist die Hassrede. Hassrede bedeutet, dass in beleidigender, diffamierender und derber Weise über bestimmte Personengruppen gesprochen wird, dass abschätzige Bemerkungen oder aggressive und intolerante Äußerung über Angehörige von Minderheiten gemacht werden oder wenn zu Gewalt gegen diese Menschen aufgerufen wird. Hassrede ist nicht durch die Meinungsäusserungsfreiheit geschützt –bestimmte Formen der Hassrede sind in Liechtenstein strafrechtlich verboten (§283 StGB). Gemäss der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats (ECRI) birgt Hassrede große Gefahren für den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft, den Schutz der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit. Hassrede kann Extremismus anfachen und rassistische Gewalt schüren. ECRI stellt fest, dass Hassrede in den sozialen Medien in Besorgnis erregendem Mass zunimmt und dadurch eine nicht gekannte Reichweite entwickelt. Immerhin haben Online-Foren gemäss einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fall Delif gegen Estland von 2015) die Pflicht, Hasskommentare zu löschen. Doch ist die Durchsetzung dieses Urteils äusserst schwierig zu überwachen.

Für ein wirksames Vorgehen gegen Hassrede ist gemäss ECRI unabdingbar, dass die grundlegende Bedeutung von Meinungsfreiheit, Toleranz und der Achtung der gleichen Würde aller Menschen anerkannt wird. Ausserdem müssen die Ursachen, die zu Hassrede führen, bekannt sein, damit – möglichst unter Einbezug privater und nichtstaatlicher Akteure – Massnahmen gegen diese Ursachen getroffen werden können. In einer öffentlichen Veranstaltung im Sommer 2023 wurden unter Mitwirkung von OSZE und der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus Massnahmen gegen Hassrede öffentlich diskutiert. Seit  2019 überwacht der VMR die Leserbrief-Foren des Liechtensteiner Vaterlands (nationale Tageszeitung) und wirbt über die Kampagne „Respekt bitte!“  für eine respektvolle und vielfältige Meinungsäusserung.